Dojo

In der Kyudopraxis übst du die sieben Koordinationen als klar vorgeschriebene Form. Du versuchst, diese Form so genau wie möglich zu praktizieren. So wie du diese Form respektierst, gibt es eine ganze Reihe weiterer Formen (Verhaltensregeln) in einem Dojo, die du beachten solltest. 

Azuchi 安土 Zielbereich
Hikae 控え Wartebereich
Honza 本座 Vorbereitungslinie (Ursprungslinie)
Kamiza 上座 erhöhter Sitz (Ort für Schrein)
Kantekijo 看的所 Schutzhaus für die Pfeileholer:innen
Makiwara 巻藁 Strohballenübungsplatz
Matoba 的場 Zielhaus
Sadamenoza 定めの座 Positionslinie gegenüber der Kamiza. Von hier grüsst man den Dojo, Sensei und die Anwesenden am Anfang einer Zeremonie.
Shai 射位 Schiesslinie
Shajo 射場 Schiesshalle
Shimoza 下座 Tiefer Sitz
Yamichi 矢道 Pfeilflugweg
Yatori-michi 矢取り道 Weg für Pfeileholer:innen

Der normale Übungsablauf umfasst die ganze Zeit vom Ankommen bis zum Verlassen des Dojo. Dabei sind die zwei Prinzipien «Rücksicht» und «Höflichkeit» hoch zu halten. Dein frühzeitiges Eintreffen im Dojo ist erwünscht. Betrete das Dojo nicht mit Strassenschuhen. Beim Eintreten verbeugst du dich leicht in Richtung Kamiza (上座 erhöhter Platz). Begrüsse dann die Anwesenden.

Zuerst werden gemeinsam alle Arbeiten für das Dojo gemacht: Der Boden wird gereinigt, die Ziele aufgebaut, das Gruppenmaterial bereitgestellt, die Klassenyumi gespannt etc.

Dann spannst du den eigenen Yumi. Dabei packst du den Yumi aus, rollst das Yumimaki (弓巻き Hülle) zusammen, spannst den Yumi und prüfst seinen Zustand und seine Form. Darauf stellst du die Ya und den Kake bereit. Anschliessend wechselst du die Kleidung. Die Strassenkleider deponierst du sorgfältig, in Japan werden sie zusammengefaltet im Furoshiki (風呂敷 Kleidertuch) aufbewahrt. Vergiss nicht, deine Armbanduhr und deinen Ohrschmuck abzulegen (Verletzungsgefahr).

Alles passiert in konzentrierter Gelassenheit, alles ist Teil der Praxis. Durch diesen Umgang entwickelt sich eine starke Konzentration, die eine intensive Kyudopraxis ermöglicht. Wenn du achtsam bist, wirst du auch nicht deinen Yumi auf den Kopf stellen, mit deinem angezogenen Kake Arbeiten verrichten oder fremdes Material benutzen etc.

Vor dem Eröffnen und Schliessen der Kyudopraxis sowie zum Zazen (座禅 Sitzen) legst du alle zum Schiessen notwendigen Geräte (Yugake, Tsuru tsubari kawa, Tsurumaki) ab. Yugake und Tsuru tsubari kawa werden sitzend an- und ausgezogen (Ausnahme: Wenn der Boden z.B. im Freien die Kleider beschmutzen könnte).

Beim Zazen und beim Eröffnen der Klasse «Rei»  verbeugst du dich tief vor der Kamiza. Vor dem Makiwara (巻藁 oder Mato  Ziel) oder anderen Kyudojin (弓道人 Praktizierenden) verbeugst du dich dagegen nur leicht. Verbeugungen passieren immer mit geradem Rücken aus der Hüfte heraus. Sie sind eine Geste der gegenseitigen Achtung.

Vor dem ersten und nach dem letzten Schuss einer Übungsphase verneigst du dich vor dem Makiwara. Beim Wechseln vor dem Makiwara verneigen sich die Schütz:innen voreinander.

Vermeide während der Praxis lautes Sprechen. Dränge dich nicht vor – sei aber trotzdem bestimmt. Gib einem:r Anfänger:in auch einmal den Vortritt. Yumi, Ya oder andere Gegenstände übergibst du so, dass sie sofort in der üblichen Weise gegriffen werden können.

Beachte die Sicherheitsregeln. Ya und Yumi sind Waffen und können bei nachlässigem Umgang fatale Folgen haben. Bei der Makiwarapraxis: Hat die Person hinter dir den Torikake (取懸け Sehnengriff) noch nicht gemacht, darfst du zum Makiwara vorgehen und deinen Ya holen. Die Person hinter dir wartet, bis du wieder auf deinem Platz bist. Hat die Person hinter dir den Torikake schon gemacht, dann ist es an dir zu warten, bis der Ya abgeschossen ist. Beim Langdistanzschiessen: Der:die Yatori (矢取り Pfeileholer:in) macht sich durch zweifaches Klatschen bemerkbar. Alle Schiessenden unterbrechen die Praxis, bis der:die Yatori das Zeichen zur Fortsetzung gibt (z.B. mit Dozo どうぞ Bitte). Als Pfeil­holer:in ziehst du deinen Kake ab.

Nach der Schiess-Praxis wird zuerst das private Material weggeräumt und dann das Gruppenmaterial. Anschliessend ziehst du dich um. Falte deine Kyudokleider sorgfältig zusammen und schütze sie und das andere Kyudomaterial vor zuviel Wärme und Sonnenstrahlen, Schmutz und Nässe. Halte deine Kyudogegenstände sauber.

Wenn du eine Unsicherheit hast, frage den:die  Shihan (師範 Person mit der grössten Praxis­erfahrung) oder den:die Praxisleiter:in.

Bei der Kyudo Praxis benutzen wir Yumi (Bogen) und Ya (Pfeil), die bei unsachgemässer Handhabung grossen Schaden und Verletzungen anrichten können. Es ist deshalb wichtig, dass alle Praktizierenden die Sicherheitsregeln kennen.

Auch wenn die Verantwortung für die Sicherheit bei der leitenden Person liegt, sind alle Praktizierenden aufgefordert, auf die Sicherheit Acht zu geben und in kritischen Situationen ihren Ablauf sofort zu unterbrechen und alle anderen zu warnen.

Allgemeine Sicherheitsregeln

  • Die gemeinsame Praxis im Dojo oder im Freien findet unter Aufsicht einer leitenden Person statt.
  • Ein Erste-Hilfe-Set muss am Schiessplatz verfügbar sein und die Leitung muss einen raschen Zugang zu einem (Not-)Telefon haben.
  • Besucher:innen dürfen den Schiessbereich nur unter Aufsicht oder mit Genehmigung betreten.
  • Es muss gewährleistet sein, dass Unbeteiligte nicht an die seitlichen Grenzen des Praxisfeldes bzw. hinter das Ziel gelangen können. Eventuell vorhandene Hallentüren sind geschlossen zu halten.
  • Der Schiessbereich, insbesondere bei der Hitotepraxis, ist durch ausreichende Markierungen kenntlich zu machen und zu sichern.
  • Die Platzierung des Yatori (Pfeilholer:in) am linken Rand des Schiessfeldes wird durch die:den Praxisverantwortliche:n bestimmt und muss in sicherer Entfernung zur Stellung der Mato (Azuchi) sein.
  • Es ist wichtig, dass das Kyudomaterial den Köpermassen der Kyudojin entspricht und in einwandfreiem Zustand ist, um Verletzungen und Unfälle zu vermeiden.
  • Die Kyudojin schiessen auf ein Makiwara, das ihrer Körpergrösse entspricht.
  • Jedes Aufziehen des Bogens mit eingenocktem Pfeil hat grundsätzlich in Richtung Makiwara oder Mato zu erfolgen.

Pfeile holen bei der Makiwara-Praxis

  • Hat die Person links vom Kyudojin das Torikake (Sehnengriff) noch nicht ausgeführt, kann der Kyudojin zum Makiwara gehen, um den Pfeil zu holen; die Person links muss warten, bis der:die pfeilholende Schütz:in wiederum auf seinem:ihrem Platz zurück ist.
  • Hat die Person links bereits das Torikake gemacht, so ist es am Kyudojin (rechts), zu warten, bis die Person links geschossen und ihr Zanshin abgeschlossen hat.
  • Falls ein Kyudojin diese Regel missachtet und dennoch zum Makiwara geht, obwohl die Person links von ihr bereits das Torikake gemacht hat oder noch weiter im Ablauf ist, so muss diese in ihrem Ablauf sofort abbrechen.

Pfeile holen bei der Hitote-Praxis

  • Ohne Aufforderung des Plattformverantwortlichen darf der Yatori keine Pfeile holen.
  • Der:die Plattformverantwortliche gibt dem Yatori das Zeichen zum Pfeile holen: Zwei Schläge mit Hölzchen oder der Ruf «Yatori onegaishimasu». Der Yatori bestätigt die Aufforderung mit einem Schlag mit den Hölzchen oder mit dem Ruf «Yatori».
  • Liegen Pfeile quer, so macht der Yatori den:die Plattformverantwortliche:n per Ruf «Yatori» darauf aufmerksam. Der Yatori darf die Pfeile erst holen gehen, nachdem der:die Plattformverantwortliche das Signal (zwei Schläge, Ruf) gegeben hat.
  • Während sich der Yatori im Bereich der Mato aufhält, unterbrechen die praktizierenden Kyudojin ihren Ablauf. Falls ein:e oder mehrere Kyudojin bereits im Torikake oder weiter sind, müssen sie den Ablauf abbrechen und in die Ashibumi-Stellung zurückgehen. Der Pfeil muss ausgenockt werden.
  • Die Praktizierenden dürfen mit der Hitote-Praxis erst weiterfahren, nachdem der Yatori die Pfeile eingesammelt, den Bereich der Mato verlassen und mit dem Ruf «Dozo» (Bitte) das Schiessen frei gegeben hat.
  • Bei der Synchron-Praxis achtet der vorderste praktizierenden Kyudojin darauf, dass er:sie erst mit den Koordinationen beginnt bzw. diese fortsetzt, wenn das Schussfeld frei ist; alle weiteren Kyudojin orientieren sich an ihm. Bei der individuellen Praxis achtet jeder Kyudojin selbst auf das freie Schussfeld.

(formuliert von Koko Kyudo Bern, gelebt in allen Dojo von Chikurin-ha)