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Das Folgende ist eine kurze Rede, die Shibata Sensei am Ende einer Kyudo-Klasse am Sonntag Vormittag in Boulder am 2. April 1989 gehalten hat.
Sie wurde von Don Symanski schriftlich festgehalten und gemeinsam von Don Symanski und Ellen Mains bearbeitet.

„Was bedeutet Zazen? Bedeutet es, high zu sein? Manchmal schläft man, manchmal ist man high ... eine Stunde vergeht, zwei Stunden. Kyudo ist fast dasselbe. Wenn ihr auf die Zielscheibe schiesst, ist da manchmal zuviel Hoffnung. Euer Stil des Schießens ist voller Hoffnung, Hoffnung, Hoffnung. Es ist wie bei Geschäftsleuten, die darauf hoffen, hoffen, hoffen, eine Menge Geld zu verdienen. Meine einzige Hoffnung ist die, dass ihr entspannter werden könnt. Ihr hofft, hofft zuviel.
Meditation ist Nicht-Denken, alles Nicht-Denken. Ich sage, allein das Herz sollte stark sein. Ihr solltet allein daran arbeiten, euer Herz schön zu machen. Versteht ihr? Kyudo ist dasselbe. Jede/r praktiziert die Sieben Koordinationen und die Fünf ‚Geschmacksqualitäten' ("Gomi"). Gomi ist sehr, sehr schwer zu verstehen. Zuerst arbeiten wir am Stil, den Sieben Koordinationen. Jede/r fängt an, gut auszusehen: Ashibumi, Dozokuri ... Uchi-okoshi, Hikitori ... gut.
Aber die Fünf Geschmacksqualitäten kann man nicht sehen. Die Fünf Geschmacksqualitäten sind in eurem Innern. Sie sind Gefühl. Ihr könnt Zucker und Salz schmecken. Wenn Zucker eure Zähne verfaulen lässt, ist das nicht so gut. Zuviel Salz ist auch nicht so gut. Aber man sieht die Fünf Geschmacksqualitäten nicht. Sie sind bei jedem anders. Jeder Mensch hat einen anderen Stil. Wenn ihr die Sieben Koordinationen praktiziert, kann man diese beobachten und sie korrigieren oder angleichen. Jetzt ist das Praktizieren der Sieben Koordinationen noch für alle schwierig. Später werden dann die fünf Geschmacksqualitäten hervortreten. Aber im Augenblick, praktiziert die Sieben Koordinationen. 
Momentan ist jede/r wie das Innere von einem Ei. Zu Anfang ist das Innere von einem Ei weiß und gelb. Zum jetzigen Zeitpunkt sind alle wie dieses Weiße und Gelbe. Später, wenn das Eigelb sich im Innern entwickelt, kann man das Ei aufnehmen und einen "Piep-piep-piep-Laut" darin hören. Das ist der Moment, in dem das Ei aufbricht und ein Küken herauskommt. "Fünf Geschmacksqualitäten" zu sagen, das klingt ein bisschen seltsam. Im Japanischen bedeutet "Gomi" Geschmack. Aber es ist schwierig, die Bedeutung zu erklären. In der Meditation und beim Kyudo habt ihr die Chance, ein schönes Herz zu haben. Jede/r kann sich ein schönes Gesicht zurechtmachen. Manchmal benutzen Frauen Make-up, oder ein Mann zieht einen Anzug an und zeigt einen eleganten Stil. Aber im Innern, da ist ein Fragezeichen. Ich hoffe, ihr lasst durch Meditation und Kyudo einen guten Geist und ein gutes Herz entstehen. Vielen Dank.“

Von Kanjuro Shibata Sensei XX   (Übersetzung: Susanne Albrecht)