von Taisen Deshimaru Roshi

Die Haltung beim Stehen und Laufen ist sehr wichtig. Man bezeichnet sie mit Kinhin.

Die Haltung ist die Folgende:

 

Kinhin (Gehen)

経行

Kinhin im

Zendo

Kinhin

im Kyudojo mit Yumi und Ya

 

 

Man steht aufrecht, die Wirbelsäule ist ganz gerade, das Kinn ist zurückgezogen, der Nacken gestreckt, der Blick ist drei Meter vor den eigenen Körper nach unten gerichtet, das heisst etwa in der Höhe der Taille des Vorangehenden, wenn man im ”Gänsemarsch“ läuft. Im Zendo umschliesst die linke Faust ihren Daumen und liegt auf der Knorpelplatte über dem Solar Plexus. Die rechte Hand umfasst die linke Faust, und die beiden werden beim Ausatmen fest aneinander und gegen das Brustbein gedrückt. Die Ellbogen sind nach aussen gerichtet, und die Unterarme werden in der Waagrechten gehalten; die Schultern sind locker und nach hinten geworfen.

Zu Beginn des Ausatmens setzt man den rechten Fuss einen halben Schritt nach vorn und drückt mit der Fusssohle, genauer mit der Wurzel der grossen Zehe, kraftvoll auf den Boden, so als wollte man eine Spur im Boden hinterlassen. Es besteht eine tiefe Beziehung zwischen diesem Teil des Fusses und dem Gehirn, und es ist wohltuend, den Kontakt mit dem Boden zu spüren.

Wenn nun das Knie gut gestreckt wird, befindet sich das Bein und die ganze rechte Körperseite vom Scheitel bis in die Fussspitzen in Spannung. Das andere Bein und die andere Körperseite bleiben locker und entspannt. Gleichzeitig atmet man durch die Nase tief, langsam und so lange wie möglich aus, doch ohne Zwang und lautlos. Danach hält man kurz inne, entspannt den ganzen Körper, und das Einatmen geschieht von allein, automatisch und frei.

Zu Beginn des nächsten Ausatmens verlagert man den Druck auf den linken Fuss, lässt das rechte Bein locker und der ganze Vorgang beginnt von neuem.

Kinhin ist wie Zazen eine Methode tiefer Konzentration. Die Energie wird durch den Druck des Ausatmens im Unterbauch gesammelt, wo sie wahrhaft aktiv ist. Dies ist die Einübung der Stabilität der Energie, die Sammlung und Konzentration der Energie im hara und damit die Basis der japanischen Kampfkünste (Budo). Sie wird sowohl im Judo als auch im Karate, Aikido, Kyudo usw. gelehrt.

Heutzutage neigt man dazu, diesen Einfluss der geistigen Haltung in der Übung der Kampfkünste zu vergessen. Man will Stärke durch blosse Technik erlangen. Do, wie in Kyudo, bedeutet Weg. Die Kampfkünste sind weder Wettbewerb noch Kampfsport, sondern eine Methode, die Meisterschaft über sich selbst zu erreichen, die Kontrolle der Energie in der Aufgabe des Egos und die Vereinigung mit der Ordnung des Universums. Das Bewusstsein trainieren bedeutet: man schiesst den Pfeil nicht ab, sondern der Pfeil löst sich in genau dem Augenblick, in dem man unbewusst bereit ist und sich selbst befreit hat.