Material

Yumi – 弓 – der Bogen

Der japanische Komposit-Reflexbogen hat im 15. Jahrhundert seine Vollendung gefunden. Nachfolgende Entwicklungen erstreckten sich auf eine Differenzierung des Kernholzes und die Verwendung neuer Holzarten.
In der Chikurin ha benützen wir vorwiegend Bogen, die aus Naturmaterial (Bambus und Holz) hergestellt sind. Durch seine filigrane Bauweise reagiert der Bogen sensibel auf die Hand­habung. Durch einen festen Griff oder grosse klimatische Wechsel verändert er seine Form und kann Schaden nehmen. Der Yumi wird zum Lehrer.

Der Yumi, wie ihn Shibata Kanjuro XXI Sensei für die Kyudopraxis herstellt, entspricht dem go mae higo, d.h. er hat einen Naka uchi (Mittelteil) aus vier mit Hitze gehärteten higo (Bambuslamellen), einer Holzlamelle in der Mitte (Ahorn) und zwei sobaki (Aussenhölzer – oft Haze Wachsbaumholz). Dazu kommen der elastische Todake (Aussenbambus) und der gehärtete Uchidake (Innenbambus), die nicht vom gleichen Bambusrohr stammen sollen. Vom Bambusrohr können nur die zwei «Blattseiten» gebraucht werden.

Zuerst wird der Naka uchi 中打 verleimt und anschliessend in eine komplexe Form gehobelt. Uchidake (auch Maedake) und Todake werden plangehobelt auf den Naka uchi geleimt (Yumi uchi) zusammen mit dem Kami no seki ita und Shimo no seki ita (Holzenden oben und unten). Gepresst wird die Leimung durch eine Schnurwicklung, die mit Bambuskeilen gestrafft wird. Als Leim braucht Shibata Kanjuro XXI üblicherweise einen Harnstoffkleber, der klimatische Schwankungen gut erträgt und elastisch ist. Hochwertige Yumi werden mit dem aus Hirschhaut selbst hergestellten Nibe にべ (ein unter hoher Temperatur flüssiger Leim) im Dampf geklebt. Oft kommt auch Superglue zum Einsatz.

Nach dem Leimen werden die Seiten grob verputzt und die Enden rudimentär geschnitzt. Dann wird der Yumi zum ersten Mal mit einer Shinaitsuru (starke Sehne) gespannt – ein heikler Akt. Dabei kommt der uralte Haridai (Holzbock) zum Einsatz.

Gespannt bleibt der Yumi so ein paar Tage ruhig stehen. Dann werden seine Enden und die Seiten fertig bearbeitet, fein geschliffen, mit einem Eberzahn seitlich poliert, Griffleder und Rattan angebracht und die Signatur des Meisters eingebrannt.

Je nach Körpergrösse und Auszugslänge braucht man einen entsprechenden Yumi.

– Hankyu (halber Bogen) für Kinder
– Sansun tsumari 三寸詰り (um drei Sun verkürzter Yumi) ca. 212 cm
– Nami 並弓 (normaler Yumi) ca. 221 cm, für kleinere Menschen
– Nisunnobi 二伸弓 (zwei Sun verlängerter Yumi) ca. 227 cm, für grössere Menschen
– Yonsunnobi 四伸弓 (vier Sun verlängerter Yumi) ca. 233 cm, für Menschen über 2 m

Im Handel sind auch Roku sun nobi (um sechs Sun verlängert) und Hassun nobi (um acht Sun verlängert) erhältlich. Sie werden in unserer Schule nicht gebraucht. Durch das Ziehen hat der Yumi Stress und das braucht er, damit der Pfeil schnell fliegt. Ist der Yumi zu lang, dann kommt es zu einem faden Schuss. Sensei empfiehlt deshalb, den Yumi möglichst kurz zu wählen (Nami oder Nisunnobi).

Das Zuggewicht wird in Kilogramm angegeben. Ein:e Anfänger:in benutzt einen Yumi mit 7 – 12 kg. Fortgeschrittene haben Yumi zwischen 12 – 25 kg (manchmal auch mehr) Zuggewicht. Beim Wechsel auf einen stärkeren Yumi ist ein Zwei-Kilo-Schritt sinnvoll, zu grosse Schritte sind nicht ratsam.


Spanne den Yumi auf einer sicheren Unterlage. Halte den Yumi mit dem unteren Ende in der Leistengegend und drücke mit der linken Hand den Bogen kontrolliert nach unten, bis du die Tsuru mit der rechten Hand einhängen kannst. Achte darauf, dass die Knoten richtig liegen. Der Kami no shigake (Knotenwicklung oben) ist nach rechts gerichtet. Der Shimo no shigake (Knotenwicklung unten) ist nach links gerichtet. Die Knoten werden auch «Tsuru wa» genannt.

Ein Yumi mit dieser Form, wie ihn auch Shibata Kanjuro XXI Sensei herstellt, ist im Hikitori (Spannen) am Anfang lieblich und wird bis im Kai immer schwerer zu ziehen, da die untere Kurve enger ist. Beim Hanare schnellt der untere Teil des Yumi dafür schnell nach vorn und beschleunigt den Ya, so dass dieser am Anfang der Flugphase etwas steigt. Mit einem solchen Yumi wird auf 28 m direkt auf das Ziel geschossen.
Ein Yumi mit dieser Form ist beliebt, weil der Yumi gleichmässig bis zum Kai gezogen werden kann. Beim Lösen fliegt der Ya gerade ab und dann zunehmend gegen den Boden. Damit der Ya das Ziel treffen kann, muss auf 28 m eigentlich über das Mato «gezielt» werden.


Der Yumi links hat eine korrekte Form: Die obere und die untere Kurve sind in Balance; der ha / kyuha 弓把 (Abstand zwischen Yumi und Tsuru) ist beim Griff je nach Yumi 14 – 16 cm (der Kopf kann durchschlüpfen). Wichtig ist, dass man seinen Yumi kennt und beurteilen kann. Ein aus der Form geratener Yumi muss korrigiert werden.

Von links:
– Irikiyumi (gut)
– Dekiyumi (soll nicht geschossen werden, muss korrigiert werden)
– extremer irikiyumi (soll korrigiert werden)
Einfache Korrekturen kann man durch entsprechende Massage selber korrigieren. Bei starken Veränderungen ist es sinnvoll, Sensei den Yumi zum Korrigieren zu geben.


Im entspannten Zustand soll der Yumi beim Griff für ca. zwei Fausthöhen Platz bieten. Ist er höher, so kann er sich unvermittelt in seine Gegenform drehen und evtl. brechen. Darum soll der Yumi auch für den Transport gespannt bleiben, bis sein Urazori wieder normal ist. Nach einem Tsuru-Riss ist Urazori normalerweise höher und muss darum unbedingt kontrolliert werden. Der Yumi soll an einem kühlen, nicht zu trockenen Ort gelagert werden.

Einen Klassenyumi verkauft Shibata Kanjuro XXI Sensei für ca. 600 €. Ein persönlicher Yumi kostet ca. 1100 €, kann aber bis mehrere tausend Euro kosten. Massgebend sind dabei die verwendeten Werkstoffe: die Qualität und das Alter des Bambus (z.B. Susutake 煤竹 → Bambus aus einem alten Haus; Monchiku 紋竹 → von Bakterien gezeichneter Bambus; irotake 色竹 → dunkel gefärbter Bambus) und des Holzes, der Leim sowie der Finish. Ein Urushiyumi 漆弓 (Lackyumi) ist mit viel Arbeit verbunden, was sich im Preis zeigt. Im Handel werden auch laminierte Bögen aus Fiberglas und Karbon angeboten, die aber die spezifischen Eigenschaften eines Bambus-Yumi vermissen lassen. Darum arbeiten die Shibata nur mit Naturmaterial (Ausnahme: Leim). Welchen Yumi man kauft, ist ein persönlicher Entscheid.

Folgende Punkte sind zu beachten:
– Grösse: Namisun oder Nisunnobi (ganz selten: sansun tsumari oder yonsunnobi)
– Zuggewicht und Machart (Werkstoffe: Bambus, Holz)
– Leim (synthetisch oder natürlich → Nibe).
Die Wicklungen aus Rattan (es gibt nur wenige traditionelle Arten) und die Lackierungen haben vorwiegend ästhetischen Charakter.


Mit dem Yumimaki.
Damit der Fuss des Yumi geschützt ist, kann man zusätzlich ein Ishitzuki überstülpen.

Tsuru werden traditionell aus Hanf hergestellt. Da sie rasch reissen, einen sorgfältigen Umgang erfordern und dazu noch teuer sind, weichen die meisten Kyudoleute auf synthetische Tsuru aus. Sie werden aus Aramid hergestellt und halten enorm lang. Als Alternative werden auch gemischte Tsuru aus Hanf und Aramid angeboten. Je nach Zuggewicht eines Yumi gibt es verschiedene Dicken zu kaufen – 0 ist die dünnste, 4 die dickste. Shibata Sensei empfiehlt, möglichst dünne Tsuru zu verwenden, damit sie von Zeit zu Zeit reissen und so den Yumi revitalisieren.

Hanf Hat einen schönen Klang, reisst rasch, teuer, gibt es in verschiedenen Dicken und Längen – je nach Yumi.
Hanf / Kunstfaser gemischt Verbindet die Qualitäten von Hanf und Aramid. Der Preis ist mässig.
Kunstfaser Ist günstig im Preis und hält lang.

Die Tsuru ist gerissen

Nach dem Reissen der Tsuru ist es sinnvoll, den Yumi einen halben oder ganzen Tag ruhen zu lassen. Oft verändert sich die Höhe (Urazori) des Yumi im entspannten Zustand stark (er wird höher).

Aufziehen einer neuen Tsuru

Die neue Tsuru wird mit dem schon gebundenen Knoten beim Shimo-no-seki-ita (oben) eingehängt und satt auf der nach aussen gewölbten Innenseite des Yumi angelegt. Angekommen beim Kami-no-seki-ita (unten) werden vom Anlegepunkt zwei Fingerbreiten zurückgemessen. Dieser Punkt ist der Biegepunkt für den neuen Knoten. Beim ersten Spannen ist Vorsicht geboten, da die Tsuru zu lang oder zu kurz sein kann. Wird eine Unstimmigkeit festgestellt, so muss der Spannvorgang sofort abgebrochen und die Tsuru entsprechend verlängert oder verkürzt werden.

Wie der Tsuruwa (Tsuruknoten) gebunden wird


Der Shimonoshigake (Knoten oben) wird meistens belassen. Die Tsuru wird am Kaminoshigake (Knoten unten) verlängert oder verkürzt. Mit Wärme wird die Tsuru geschmeidiger. Mit dem Waraji 草鞋 (Sehnenreiber) kann die Tsuru in kräftigen Auf- und Abdrehbewegungen warm gerieben werden. Dabei verteilt sich das Kusune くすね (Tsuruharz) gleichmässig und die Oberfläche wird glatter.

Nakashikake 中仕掛 (Sehnenwicklung)


Damit der Ya fest auf der Tsuru sitzt und die Tsuru gleichzeitig geschützt wird, wird an der Tsuru im Annockbereich ein Nakashikake (konische Verdickung) angebracht. Die Tsuru wird von knapp über dem Griff bis 9 cm nach unten mit Weissleim bestrichen, dann werden Hanf- oder weich gemachte alte Tsurufasern wie abgebildet um die Tsuru gewickelt.

Zum Schluss wird die Wicklung mit den Doho 道宝木 (Reibhölzer) glatt gerieben. Die Hazu 筈 (Pfeilnocke) soll dann satt gehalten werden. Der Nakashikake darf also weder zu dick noch zu dünn gemacht werden. Die Doho werden nach der Arbeit wieder sauber geputzt, sonst taugen sie beim nächsten Gebrauch nichts mehr.

Ya – 矢– der Pfeil

In der Chikurin-ha wird vorwiegend mit Bambuspfeilen (Alupfeile machen einen scheppernden Ton) praktiziert. Mit Mato­pfeilen darf nicht auf das Makiwara geschossen werden, da die Pfeilschäfte dünner sind und
brechen können.

Gemessen von der Halsmitte bis zu den Fingerspitzen plus zwei bis drei Fingerbreiten ergibt die richtige Pfeillänge. Zu kurze Pfeile dürfen nicht benutzt werden (Unfallgefahr); zu lange Pfeile sind nicht schön, können aber gebraucht werden.

Ya > Pfeil
No > Pfeilschaft
Hane > Federn
Yajiri > Pfeilspitze (klassisch)
Yanone > Pfeilspitze (modern)
Hazu > Nocke
Yazutsu > Pfeilköcher
Haya > erster Pfeil, männlich
Otoya > zweiter Pfeil, weiblich
Boya > Übungspfeil für die Makiwarapraxis ohne Federn. Der Bambusschaft ist dicker als bei einem Langdistanzpfeil
Makiwaraya > Pfeil mit schmalen Federn für die Makiwarapraxis
Kazuya > Günstiger Pfeil für die Matopraxis mit Federn. Der Bambusschaft ist dünner als bei einem Makiwarapfeil. Deshalb darf man damit nicht auf das Makiwara schiessen (Bruchgefahr)
Yotsuya > Vier gute Pfeile für die Matopraxis mit identischen Schäften und auserlesenen Federn

Hane > Federn
Otori > Seeadler
Taka > Falke
Ishiuchi > äussere Schwanzfeder eines Seeadlers oder eines Falken – beste Qualität
Oba > innere Schwanzfeder eines Seeadlers oder eines Falken – bessere Qualität
Teba > Schwungfeder eines Adlers oder eines Falken – gute Qualität
Haya Hane > links gekurvte Feder, die für den Haya gebraucht wird
Otoya Hane > rechts gekurvte Feder, die für den Otoya gebraucht wird

Federn von Truthähnen und Schwänen werden für einen günstigen Ya gebraucht. Federn von Greifvögeln dürfen nur gebraucht werden, wenn sie dem internationalen Artenschutzabkommen entsprechen.


Hazu – Nocken
aus Horn oder Kunststoff
Yajiri – Spitzen unterschiedlich für Makiwara-Renshu und Mato-Renshu

Bambus dünn aufgetragenes Nelken- oder Nussöl pflegt den Bambus.
Federn Zerzauste Federn können über Wasserdampf wieder gerichtet werden.

Kake – der Handschuh

In der Chikurin ha ist der 3-Finger-Kake im Gebrauch. Daneben werden auch 4- und 5-Finger-Kake verwendet. Je nach Schule ist der Kake unterschiedlich gestaltet. Das wichtigste Merkmal ist die Sehnengrube. In der Chikurin ha wird eine zum Daumen rechtwinklige Sehnengrube verwendet.

Der Kake wird wenn immer möglich sitzend (in Richtung Makiwara bzw. Mato oder Kamiza) angezogen. Damit der Kake innen geschützt wird, zieht man zuerst den Shitagake (Innenhandschuh) an. Das Kakehimo (Band) legt man um den Hals, damit es nicht auf den Boden fällt. Die Finger und Daumen des Kake sollen aussen nicht berührt werden, damit sie nicht fettig werden.

Spezialbindung Bei Traueranlässen wird der Kake in der Chikurin ha als Zeichen der Anteilnahme unten am Handgelenk gebunden (in anderen Schulen wird der Kake immer unten gebunden).


Giriko
Damit der Kake optimal eingesetzt werden kann, wird auf dem Mittelfinger Giriko  (aus Baumharz hergestelltes Pulver wie Kolophonium) aufgetragen und einmassiert. Dieses Harz sorgt für die richtige  Haftung des Daumens am Mittelfinger.

Oshidegake
Beim Praktizieren kann es vorkommen, dass die Federn des Ya die Haut der Yunde (Bogenhand) anritzen. Um das zu verhindern, kann ein Schutzhandschuh angezogen werden, der vorwiegend den Daumen schützt.

Kleidung

Shibata Kanjuro XXI Sensei sagt: Barfuss praktizieren ist ok.


Hosen


Rock


Hakamabild